Sind „natürliche Cholesterinsenker“ bei Statinintoleranz zu empfehlen?

Nahrungsergänzungsmittel als „natürliche Cholesterinsenker“ sind umstritten. Bei Patienten mit Statinunverträglichkeit können sie aber hilfreich sein. Ein Expertenpanel hat dazu nun Empfehlungen ausgesprochen.

von Veronika Schlimpert

Unter einer Statintherapie auftretende Muskelschmerzen sind für Ärzte ein alltägliches Problem. In den seltensten Fällen leiden die Patienten an einer kompletten Statinintoleranz (3 bis 5%) und in vielen Fällen hilft bereits eine Dosisreduktion, ein Wechsel des Präparats oder die Hinzunahme von Ezetimib oder anderen Lipidsenkern.

Doch was sagt man Patienten, die ihre LDL-Cholesterin-Spiegel „auf natürliche Weise“ senken möchten oder die trotz der pharmakologischen Maßnahmen ihre Zielwerte nicht erreichen?

Es gibt zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel bzw. Naturprodukte, denen eine lipidsenkende Wirkung nachgesagt wird. Dazu zählen der sog. rote Reis, Phytosterole, Zitrusfrüchte, Sojaprodukte oder Omega-3-Fettsäuren. Viele dieser Produkte sind umstritten, da die Datenlage oft widersprüchlich ist.

Trotz allem sprechen sich internationale Experten in einem aktuellen Konsensuspapier für den Einsatz solcher Nahrungsergänzungsmittel bei Menschen mit einer Statinunverträglichkeit aus. „Es gibt ein zunehmendes Interesse an der Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmittel in dem Management von Dyslipidämien“, erläutern die Mitglieder des Expertenpanels die Hintergründe des Empfehlungsschreibens, das aktuell im „Journal of the American College of Cardiology“ erschienen ist.

Die Vorteile: natürlich, sicher und vielseitig

Bei Patienten Statinintoleranz könnten solche Produkte sehr hilfreich sein, besonders dann, wenn es keine anderen Möglichkeiten gebe, die LDL-C-Zielwerte zu erreichen. Sie seien natürlichen Ursprungs und über Jahrtausende in der menschlichen Ernährung eingesetzt worden, erläutern Prof. Maciej Banach und Kollegen die Vorteile der „natürlichen Cholesterinsenker“.  Sie seien überwiegend sicher und gut verträglich, sie würden über multiple Mechanismen zur Lipidsenkung beitragen und hätten darüber hinaus oft weitere positive Effekte vorzuweisen, z. B. auf Blutdruck, Blutzucker-Spiegel, Inflammation und oxidativen Stress. 

Ausdrücklich betonen die Experten aber, dass „Nahrungsergänzungsmittel eine lipidsenkende Pharmakotherapie nur ergänzen und nicht ersetzen können.“  Und speziell bei Patienten mit Statinintoleranz sei die Datenlage für deren Wirksamkeit sehr limitiert.

Klasse IA-Empfehlung für Roten Reis

Die beste Evidenz liegt noch für den sog. Roten Reis vor. Der als Nahrungsergänzungsmittel vertriebene Rotschimmelreis wird in dem Konsensuspapier mit einer Klasse 1A-Emfpehlung  empfohlen (täglich 1.200 bis 4.800 mg). Die zu erwartende Wirkung auf den LDL-C-Spiegel: –15 bis 25%. Sicherheitsbedenken sind bisher nicht erkennbar.  

Allerdings sei nicht auszuschließen, dass die typischen unter Statinen zu beobachtenden Nebenwirkungen auch bei dem Verzehr von Rotem Reis auftreten können, machen die Experten deutlich (weil der Inhaltstoff Monacolin K chemisch identisch zu Lovastatin ist). Wichtig ist, dass die Kapseln kein Citrinin – ein toxisches Nebenprodukt des Fermentationsprozesses –  enthalten. „Daher sollten nur hochgereinigte, standardisierte und zertifizierte Produkte von guter Qualität eingesetzt werden“, raten die Experten.

Omega-3-Fettsäuren wirken eher auf Triglyzeride

Weniger überzeugend ist die Datenlage zu Omega-3-Fettsäuren, auch als PUFA abgekürzt. Deren Einsatz wird mit einer Klasse IIa/B-Empfehlung  empfohlen (1–4 g täglich). „PUFA wirken hauptsächlich auf Triglyzeride und haben nur einen geringfügigen Effekt auf das LDL-C (–3 bis –7%)“, heißt es darin.

Daher sollten der Einsatz von Fischöl vornehmlich für statinintolerante Patienten mit Übergewicht, Diabetes (Insulinresistenz) oder metabolischem Syndrom erwogen werden, also für Patienten, die neben hohen LDL-C-Spiegeln auch erhöhte Triglyzerid-Werte aufweisen. Auch hier raten die Experten auf die Qualität der vertriebenen Produkte zu achten, da manche Kapseln möglicherweise Quecksilber oder Dioxin enthalten oder mit anderen Substanzen kontaminiert seien.

Etwas Vorsicht ist bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen geraten. Denn es gibt Studien, in denen Fischöl-Kapseln proarrhythmische Effekte gezeigt haben.

Phytosterine

Relativ bedenkenlos scheint dagegen der Verzehr von Phytosterinen zu sein. Die sekundären Pflanzenstoffe kommen natürlicherweise in sehr fettigen Pflanzenteilen wie Sonnenblumenkernen, Weizenkeimen, Sesam und Sojabohnen vor; in höherer Konzentration enthalten sind sie in speziell angereicherter Margarine oder Joghurtdrinks.

Die Gabe von Phytosterinen (800 bis 2.400 mg pro Tag) wurde in dem Konsensuspapier mit einer Klasse IIa/C-Empfehlung versehen. Da der LDL-C-senkende Effekt der Pflanzenstoffe gut dokumentiert ist (–7 bis –10%) und sie gut verträglich sind, empfehlen die aktuellen ESC/EAS-Leitlinien deren Zufuhr als Ergänzung zur pharmakologischen Lipidtherapie bei Patienten mit hohem oder sehr hohem Risiko, die ihre Zielwerte unter einer Statintherapie nicht erreichen oder Statine nicht vertragen.

Bei Patienten mit einer sog. Phytosterolämie wird explizit von dem Verzehr solcher Produkte abgeraten. Bei dieser autosomal rezessiven Störung kommt es aufgrund von Gen-Mutationen in speziellen Transportproteinen zu einer verminderten Ausscheidung von Pflanzensterinen  und -stanolen. Die Betroffenen sind daher einem erhöhten Atherosklerose-Risiko ausgesetzt.

Zitrusfrüchte und Sojaprodukte

Als weitere „natürliche“ Cholesterinsenker gelten Bergamotte (Zitrusfrucht)  und Sojaprodukte. Beides erhielt eine Klasse IIb/B-Empfehlung (Bergamotte:  500–1.500 mg, Soja: 25–100 g pro Tag).

„Bergamotte weist ein gutes Wirkungs- und Sicherheitsprofil bei Patienten mit Dyslipidämien und anderen kardiometabolischen Erkrankungen auf“, heißt es in dem Expertenschreiben. Die Zitrusfrucht soll sogar das Potenzial haben, das kardiovaskuläre Gesamtrisiko senken zu können, wobei Effekte auf kardiovaskuläre Endpunkte bisher nicht gezeigt werden konnten.

Dagegen scheint der chronische Verzehr von Sojaprodukten nicht ganz so bedenkenlos sein. Es gebe Hinweise, dass die in Soja enthaltenen Isofalvone die Schilddrüsenfunktion und Fruchtbarkeit negativ beeinflussen könnten. Darüber hinaus scheinen Sojabohnen und deren Derivate die Absorption von Kalzium, Magnesium, Kupfer, Eisen und Zink beeinträchtigen zu können.

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Quelle: kardiologie.org